Macht in der Liebesbeziehung: Gefahr für die Liebe!?

 

Subtile oder offene Machtspiele gibt es in jeder Liebesbeziehung. Wie erkennst du sie? Wann gefährden sie deine Beziehung? Und wie kann das Wissen über die Zusammenhänge zu einer Chance werden, um miteinander zu reifen?

Wenn du an deine Liebesbeziehung denkst, wer bestimmt zum Beispiel

  • wohin ihr in die Ferien fahrt?
  • wie oft und wie ihr Sex habt?
  • was ihr in der Freizeit macht?
  • wie das Geld verwaltet und ausgegeben wird?
  • wie die Ernährung aussieht, was auf den Tisch kommt?

Macht ist ein Thema in jeder Beziehung, auch wenn das auf den ersten Blick nicht zu passen scheint. Denn in unserer Idealvorstellung geht es dabei vielmehr um Zuwendung, Intimität, Verständnis, Gemeinsamkeit und Liebe. Doch in einer Beziehung geht es auch darum, dass die eigenen Interessen angemessen berücksichtigt werden.

 

Worum geht es wirklich?

Aber wie bekommen die eigenen Bedürfnisse Platz? Wie und mit welchen Gefühlen kommunizierst du sie? Was, wenn das Gegenüber Widerstand leistet? Oder zu allem «Ja», sagt, die Unzufriedenheit aber wächst? Dann können rasch Gefühle wie Ohnmacht oder Überlegenheit aufkommen. Denn es geht um Macht, mit allem, was dazugehört: Machtspiele, Machtkampf, Machtmittel, Strategien - und deren Folgen.

 

Bei einem Konflikt ist es daher wichtig zu fragen:
Geht es wirklich nur um die Sache?
Oder geht es auch um die Frage: Wer ist stärker?

 

Wer hat das Sagen in diesem Punkt und generell in unserer Beziehung? Was für ein Gewicht haben die eigenen Wünsche und die des Partners, der Partnerin? Was sind die Folgen, wenn längerfristig Ungeklärtes, Ungesagtes oder nicht-Gehörtes in die Beziehung wirkt?

 

Warum ist es wichtig, zu wissen, um was es geht?

Weil man dann seine Kraft und Zeit nicht immer und immer wieder mit der Lösung von – manchmal unwichtigen - Sachfragen vergeudet. Der emotionale, oft verletzte Aspekt ist viel stärker. Vielmehr sollte man sich mit dem beschäftigen, worum es wirklich geht. Sich zum Beispiel fragen:

  • Warum reagierst du oder dein Gegenüber so heftig? Oft ist dies ein sicherer Hinweis, dass es um mehr geht, als es scheint.
  • Welche Gefühle bewegen dich? Welche Verletzungen liegen hinter diesen Gefühlen? Welche Schutzmechanismen hast du entwickelt, um diese Verletzungen nicht mehr zu spüren, wie z.B. Angst vor Zurückweisung?

 

Was beeinflusst die Machtverhältnisse in Beziehungen?

Unterschiedlichen Partner-Konstellationen

  • Wenn die Partner sehr gegensätzlich sind, zum Beispiel pedantisch vs. chaotisch, intro vertiert vs. extravertiert, vergeistigt vs. bodenständig. Am Anfang einer Beziehung finden beide die Gegensätze befruchtend und faszinierend. Das ändert sich aber oft im Laufe der Zeit. Man geht sich mehr und mehr auf die Nerven, kämpft fast täglich kleine „Kriege“. Und möchte erreichen, dass sich der Partner ähnlich verhält wie man selbst.

  • Wenn sich die Partner sehr ähnlich sind. Etwa, wenn eine erfolgreiche, selbstbewusste, durchsetzungsstarke Frau mit einem ebensolchen Mann eine Liebesbeziehung eingeht. Hier ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass irgendwann die Frage auftaucht: Wer ist  stärker? Wer hat das Sagen in den wichtigen Bereichen unserer Beziehung? Dabei kann es auch um Konkurrenz gehen.

  • Wenn die Macht unausgeglichen ist, wenn einer der Partner die Macht hat, seine Interessen gegen die des anderen durchzusetzen – unabhängig von den Bedürfnissen des  Partners. Zum Beispiel, wenn ein wohlhabender Unternehmer im reifen Alter seine junge, attraktive Assistentin heiratet. Oder eine berühmte Sängerin um die 50 mit einem jungen Bewunderer liiert ist.
    Die Machtverhältnisse sind in diesen Beispielen durch äussere Faktoren stark unausgeglichen: Auf der einen Seite materiell, durch Lebenserfahrung, gesellschaftlichen Stand, Bekanntheit. Auf der anderen Seite stehen Jugend, Attraktivität, Leidenschaft.

 

Unterschiedliche Kindheitserfahrungen

  • Weitere Ursachen ungleich verteilter Macht ergeben sich aus unterschiedlichen Persönlichkeitsmerkmalen und aus der in der Kindheit erfahrenen Erziehung. Manche Menschen werden eher zur Nachgiebigkeit erzogen, andere zu dominantem Auftreten. Zudem wird in stark ausgeprägten patriarchalischen Gesellschaften Männern von vornherein die grössere Macht zugestanden als Frauen.

  • Wenn einer der Partner eine grosse Angst hat vor dem Verlassenwerden oder Alleinsein hat, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass er seine Interessen hinter denen des anderen zurückstellt. Oder wenn einer der Partner ausgezeichnet allein leben kann, z.B. weil eher Angst vor Nähe hat, gibt ihm das Macht, weil er weniger Angst vor der Trennung hat. Auch wenn einer der beiden das Gefühl hat, locker einen neuen Partner zu finden, gibt ihm das im Konfliktfall Macht.

 

Manchmal sind die emotionalen Machtfaktoren
stärker als äussere Faktoren wie Geld oder Ansehen.

 

Die emotionalen Machtfaktoren

Nehmen wir nochmals das Beispiel Unternehmer/Assistentin: Wenn der Unternehmer durch die Verbindung wieder aufblüht, die lange vermisste Lebensfreude findet oder einen Lebenssinn entdeckt, kann es durchaus sein, dass in einem Machtkampf der emotionale Faktor die Oberhand behält. Das heisst, die Frau kann ihre Interessen eher durchsetzen.

Manchmal ändern sich die Machtverhältnisse im Laufe der Beziehung. Etwa wenn ein Partner zum Pflegefall wird: je grösser die Abhängigkeit, desto geringer die Macht.

 

Wann gefährdet das Thema Macht die Beziehung?

Sind die Machtverhältnisse in einer Beziehung ausgeglichen, kommt es seltener zu Machtkämpfen. Ist die Macht aber ungleich verteilt und gekoppelt mit Unzufriedenheit, kann dies zu einer beträchtlichen Hürde für die Beziehung werden. Hier geht es oft um Macht und Ohnmacht, wer bestimmt über wen, wer hat die stärkere oder die schwächere Position. Dies zu erkennen und zu lernen, damit umzugehen, kann herausfordernde Machtkämpfe verhindern oder beenden. Zudem kann es eine Trennung verhindern, ein ungesundes Verhalten beenden und eine Weiterentwicklung ermöglichen. Dann hat die Liebesbeziehung die Chance, so zu werden, wie wir es uns wünschen.

 

Beispiel Erika und Alex: Wer hat mehr Macht?

Erika und Alex sind seit sieben Jahren verheiratet. Sie haben bisher ihre Beziehung als ausgewogen wahrgenommen. Seit einem Jahr sind sie Eltern eines Sohnes. Erika hat wegen ihres Sohnes eine unbestimmte Auszeit von ihrem Job als Lehrerin genommen, Alex arbeitet Vollzeit als IT-Fachmann in einem mittelständischen Unternehmen. In letzter Zeit kommt es zu immer grösseren Spannungen zwischen ihnen.

Erika möchte, dass Alex mehr Zeit mit ihr und dem Kind verbringt, auch damit sie wieder ihre Freundinnen treffen oder ins Theater gehen kann. Ausserdem wünscht sich ein Auto für mehr Bewegungsfreiheit. Alex findet, dass ein Auto zu teuer ist. Und er braucht neben der Arbeit Zeit zur Erholung, die er in häufigen Treffen mit seinen Freunden findet. Ihre Diskussionen werden immer heftiger.

Die Sicht von Alex
Alex ist Alleinverdiener und hat daher das Gefühl, in finanziellen Dingen habe er mehr zu sagen als Erika. Er empfindet die Situation von Erika als ein Privileg, als eine gut finanzierte Auszeit vom Arbeitsleben. Dank seiner Berufstätigkeit kann sie sich ausschliesslich um das Kind kümmern. Sie sollte dankbar dafür sein und mehr Verständnis für ihn haben.

Die Sicht von Erika
Erika erwartet von Alex Dankbarkeit dafür, dass sie auf eigenes Einkommen verzichtet und sich nahezu ohne seine Unterstützung um das Kind kümmert. Und während sie keine Zeit hat für andere Menschen, trifft er sich mit seinen Freunden. Der Gedanke, von Alex finanziell abhängig zu sein, ist für sie schwer zu ertragen. Erika empfindet ihre Beziehung nicht mehr als ausgewogen, ihre Interessen werden von Alex nicht akzeptiert.

Die Wirkung auf die Beziehung
Erika zieht sich immer mehr von Alex zurück und verweigert jegliche Sexualität. Das verletzt Alex sehr. Er trifft sich daher vermehrt mit seinen Freunden und lässt Erika mit dem Kind allein. Erika und Alex befinden sich einem Machtkampf.

Wer hat mehr Macht?
Erika fühlt sich finanziell abhängig. Sie kann ihre Interessen (Auto, mehr Freizeit für Freundinnen) nicht durchsetzen. Sie empfindet, dass Alex Macht ausübt. Alex möchte sexuellen Kontakt zu Erika. Erika weigert sich. Er kann sein Interesse nicht durchsetzen. Alex empfindet, dass Erika Macht ausübt. Das Mittel, mit dem beide hier kämpfen, ist Bestrafung.

 

Wie können sie den Machtkampf beenden?
Für beide gilt: Sie handeln aus ihrer Verletzung heraus mit dem Ziel, das Gegenüber so zu treffen, dass es nachgibt. Das muss ihnen nicht einmal bewusst sein. Was sollten sie stattdessen tun? Reden, und zwar nicht (nur) darüber, was sie von dem Gegenüber erwarten. Sondern über sich, über die eigenen Gefühle.

Ich fühle mich
z.B. abhängig, das hat mir schon immer Angst gemacht. Dieses Gefühl kenne ich schon von meinem Vater (Erika)

Oder

z.B. wieder einmal unter Druck gesetzt. Egal, was ich auch tue, es ist nie genug, wie schon bei meiner Mutter (Alex)

 

Hier sagen sie ehrlich dem anderen, warum sie das Verhalten des anderen so trifft. Und können wechselseitig erkennen, was hineinspielt in ihren Kampf. Und so Verständnis füreinander entwickeln. Auf einem solchen Hintergrund lassen sich Lösungen finden, zu denen sie beide Ja sagen können.

 

Es gibt unterschiedliche Wege,
in einer Beziehung Macht auszuüben

 

Wie wird Macht ausgeübt?

Ein Beispiel, das vielen sofort einfallen dürfte, ist die Bestrafung. Sie kann offen geschehen, aber auch subtil. Erika und Alex sind hier ein Beispiel.

Häufig wird Macht aber auch durch Belohnung ausgeübt: Wenn du dich so oder so verhältst, schenke ich dir … Das muss nicht unbedingt ausgesprochen sein. Lob wäre eine weitere Belohnung, oder Aufmerksamkeit. Sexualität als Belohnung für ein bestimmtes Verhalten spielt in vielen Liebesbeziehungen eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Eine weitere Methode ist, schlechtes Gewissen zu erzeugen: Wenn du dies machst oder nicht machst, wird mir schwer ums Herz. Dann leide ich. Eine häufige Methode, die wir aus der Kindheit kennen. Wenn du dies oder jenes nicht tust, wird Mama/Papa ganz traurig.

Eine ähnliche Methode der Machtausübung ist die Macht des „Opfers“. Zum Beispiel eine leidende/unsichere/hilflose Ehefrau, die viel Aufmerksamkeit auf sich zieht und den besorgten Ehemann durch ihr Leiden zu bestimmten Verhaltensweisen bewegt. Sie übt Macht aus. Die Rollen können natürlich auch umgekehrt sein.

 

Eine besondere Form der Machtausübung, die dem, der sie ausübt, noch nicht einmal bekannt sein muss, ist die Macht des vorauseilenden Handelns bzw. Unterlassens. Ein Beispiel: Die Ehefrau weiss, dass ihr Mann die Familie XY nicht ausstehen kann. Sie hätte zwar gerne Kontakt mit der Familie, lädt sie aber gar nicht erst ein. Sie verzichtet. Das muss der Ehemann noch nicht einmal wissen. Oder der Ehemann verzichtet von vorneherein aufs Motorradfahren, was sein Traum ist. Er spricht dies gar nicht erst an. Er weiss, dass der Vater seiner Partnerin mit seinem Motorrad einen lebensgefährlichen Unfall hatte. Und dass sie noch heute immer wieder mit grösster Betroffenheit davon spricht.

 

Wie sieht es in deiner Beziehung aus?

  • Gibt es immer wieder dieselben Reibereien? Wenn ja, um welche Themen geht es?
  • Könnte es auch noch um etwas anderes gehen, ausgesprochen oder unausgesprochen? Was könnte dahinter liegen?
  • Mit welchen Gefühlen bist du konfrontiert?
  • Woher kennst du diese Gefühle? Und was könnten die Ursachen sein, etwa aus deiner Kindheit?
  • Wenn du in einem Machtkampf bist: Mit welchen Mitteln kämpfst du?

 

Möchtest du mehr zum Thema Macht in Beziehung erfahren? Auch darüber, wie es dir persönlich damit geht und warum? Und was du ggf. ändern kannst? Dann melde dich an zu unserem kostenfreien Themenabend per Zoom an. Termin: 30. Mai, 19:00 Uhr. Dauer ca. 90 Minuten.

Dieser Abend wird auch einen Erfahrungsteil beinhalten. Du kannst bei deiner Anmeldung auch Fragen stellen, auf die wir – ohne Nennung deines Namens – im Laufe des Abends eingehen werden.

 

Daniele Kirchmair-Neuses & Günther Neuses
daniele@danielekirchmair.com, guenther@danielekirchmair.com

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